[infobrief] Fwd: Gerichtsverhandlung gegen Aktivisten wegen Proteste gegen Schünemann Veranstaltung ||| Mittwoch 10.07.13 ||| 09 Uhr ||| Amtsgericht Göttingen

akasylgoe akasylgoe at emdash.org
Fr Jul 5 20:36:43 CEST 2013




-------- Original-Nachricht --------
Betreff: 	Gerichtsverhandlung gegen Aktivisten wegen Proteste gegen
Schünemann Veranstaltung ||| Mittwoch 10.07.13 ||| 09 Uhr |||
Amtsgericht Göttingen
Datum: 	Fri, 05 Jul 2013 20:34:45 +0200
Von: 	antirassistisches aktionsplenum goettingen
<arap-goettingen at riseup.net>
An: 	Ak Asyl Göttingen <akasylgoe at emdash.org>



*Gerichtsverhandlung gegen Aktivisten **...oder...**Schünemanns Nachbeben*


*Am Mittwoch, dem 10. Juli 2013, um 09 Uhr im Amtsgericht Göttingen*


Am 10. Januar 2012 war der damalige niedersächsische Innenminister Uwe
Schünemann (CDU)  zusammen mit dem Göttinger Polizeipräsidenten Robert
Kruse zu einer Veranstaltung unter dem Titel "Ein Blick auf die
Kriminalitätsbekämpfung in Niedersachsen und Göttingen im Speziellen" in
die Universität gekommen. Eingeladen hatte der CDU-nahe Ring
Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS), der diese Veranstaltung als
Wahlkampfveranstaltung für die anstehende Uni-Wahl verwenden wollte. Der
ehemalige RCDS-Vorsitzende schrieb später dazu: "Herzlichen Dank an alle
freiwilligen und unfreiwilligen Wahlkampfhelfer."

Zahlreiche linke Gruppen riefen zu Aktionen gegen die rassistische
Abschiebepolitik Schünemanns und die Kriminalisierungswut gegenüber
Linken durch Kruse auf. Diesem Aufruf folgten etwa 500
Demonstrant_innen, die vor dem Hörsaal lautstark und kreativ ihren
Protest zum Ausdruck brachten. Da zwei der Eingänge versperrt wurden,
mussten die beiden Referenten den Hörsaal durch einen Hintereingang
betreten. Vor etwa 270 Zuhörer_innen begann die Veranstaltung mit
einiger Verspätung, aber nicht ungestört von Zwischenrufen und lautes
Klatschen.
Nach einiger Zeit eskalierte die Polizei die Proteste und räumte mit
massiver Gewaltanwendung den Eingangsbereich des Hörsaals, wobei die
Demonstrierenden getreten, geschlagen, gewürgt und mit dem Kopf gegen
die Wand geschleudert wurden. Ein Aktivist verlor das Bewusstsein, ein
anderer erlitt eine Gehirnerschütterung. Zwei Aktivist_innen mussten im
Krankenhaus behandelt werden.
Auch die Abreise von Schünemann verlief nicht ohne Protest. Ein
Mannschaftswagen der Polizei, in dem der Innenminister abtransportiert
werden sollte, wurde von einigen Protestierenden blockiert. Bei ihrer
Räumung durch die Polizei ist ein Betroffener an der Kapuze über den
Beton gezogen worden, er ist ans Ohr geschlagen und an den Oberschenkel
getreten worden. Ein Anderer ist mit dem Kopf auf den Asphalt geschlagen
und aufs Fußgelenk getreten worden.

Die Polizei rechtfertigte ihren Einsatz damit, das die Demonstrant_innen
die Eskalation herbeigeführt hätten, als sie "versuchten, sich durch
Drücken gegen die Zugangstür unberechtigt und gewaltsam Zutritt zum
Veranstaltungsraum zu verschaffen". Absurd, denn die Tür des Hörsaales
wird nach außen geöffnet. Kruse hatte später den Einsatz gelobt und sich
bei den Beamt_innen bedankt. Ihr Vorgehen sei "angemessen, konsequent
und professionell" gewesen. Es seien angeblich sechs Polizeibeamte
verletzt und mehrere Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung,
Sachbeschädigung und Landfriedensbruchs eingeleitet worden.

Im Mai 2013 legte die Göttinger Polizei ihre Jahresstatistik 2012 zu
politisch motivierter Kriminalität vor und bezeichnete Göttingen als
"regionalen Brennpunkt linksmotivierter Straftaten in Niedersachsen". 17
von den erfassten 96 linksmotivierten "Delikten" sollen sich bei der
Veranstaltung mit Kruse und Schünemann im Januar 2012 ereignet haben.
Kruse gab anfangs an, das von den 17 Strafverfahren gegen
Demonstrant_innen fünf zu einer Verurteilung führten. Auf Kritik musste
Kruse die Zahl der Verurteilten auf zwei reduzieren. Das heißt, das die
restlichen Delikte zu Unrecht in der Jahresstatistik zur politisch
motivierten Kriminalität auf.
Die Ermittlungen gegen Polizist_innen wegen Körperverletzung im Amt
wurden eingestellt, weil die mutmaßlichen Gewalttäter_innen nicht
identifiziert werden konnten.

Polizeipräsident Kruse kam 2010 nach Göttingen. Er war zuvor
Verfassungsschutzvizepräsident in Hannover und übernahm den Posten von
Wargel, der zum Leiter der Verfassungsschutzabteilung und
Verfassungsschutzpräsident des niedersächsischen VS wurde. Damit ist das
Gebot der Trennung von Geheimdiensten und Polizei aufgehoben . Kruse tut
sich immer wieder durch seine Gleichsetzung zwischen Links- und
Rechtsextremismus vor. Und wie sein Vorgänger Wargel sieht er überall
die Gefahr des Linksterrorismus, wie das Beispiel des vermeintlichen
Anschlages in der Teeküche der Ausländerbehörde des Landkreises
Göttingen und die folgende Kriminalisierung zeigt. Dieses Herbeireden
soll das harte Vorgehen gegen die linke Szene legitimieren, wie z.B. die
Stationierung der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) in
Göttingen. Diese wird regelmäßig gegen Proteste eingesetzt und ist für
ihre brutalen Übergriffe auf Demonstrationen wie z.b. während der Conny
Demo 2009 bekannt.

Der damalige Innenminister von Niedersachsen, Schünemann, ist bzw. war
für seine rücksichtslose Abschiebepolitik und seine Law-and-Order
Politik bekannt. Er ist politisch mitverantwortlich für das vielfache
Leid von Flüchtlingen und steht für die rassistischen
Ausgrenzungsmechanismen und die Sondergesetze, wie z. B.
Residenzpflicht, Isolation in Lagern, mangelnde medizinische Versorgung
und Abschiebung. Immer wieder hetzt er gegen Flüchtlinge, wie z.B gegen
Geflüchtete aus Serbien und Mazedonien, die angeblich "tausendfachen
Asylmissbrauch" begehen, weil sie Asyl lediglich "zur Verbesserung ihrer
wirtschaftlichen Situation" beantragen würden. Unzählige Menschen wurden
unter Schünemann abgeschoben. Auch auf sein persönliches Drängen, wie
z.B. eine Iranerin, die zum Christentum übertrat und sich von ihrem
muslimischen Ehemann hatte scheiden lassen, weshalb sie nach iranischem
Recht gesteinigt worden wäre. Oder Gazale Salame, die von ihrer Familie
getrennt und schwanger in die Türkei abgeschoben wurde. Für einige
Menschen ist Suizid der einzige Ausweg, einer Abschiebung zu entgehen,
wie Slavik C, der sich 2010 in der JVA Langenhagen erhängte, weil er
nach Armenien abgeschoben werden sollte.

In Sachen Law-and-Order Politik setzte Schünemann voll auf Repression:
er ließ Überwachungsdrohnen bei Anti-Castor-Protesten einsetzen...
verschärfte das Demonstrationsrecht... führte im November 2012 die BFE
in Göttingen ein... ließ ein Heft erstellen, mit dem u.a. Arbeitgeber
erkennen sollten, ob eine Radikalisierung bei vermeintlich muslimischen
Betriebsangehörigen stattfindet und diese dann bei Behörden denunzieren...
Er forderte verdachtsunabhänge Kontrollen vor Moscheen... die präventive
Telefon- und e-mailüberwachung... die Ausweitung der Videoüberwachung
auch auf "belebte Plätze in den Innenstädten"... die Einführung der
"elektronischen Fußfessel" ohne richterlichen Beschluß für "gefährliche
Ausländer, die nicht abgeschoben werden können."... die heimliche
Durchsuchung von Wohnungen durch die Polizei u.v.m.

"In Zeiten wie diesen...sitzen menschen in knästen, deren verbrechen es
ist, keine papiere zu haben, für ein land wie dieses...in zeiten wie
diesen...für d-land, dem freien und sozialen und achso zivilisierten,
kein traum eher ein traumata land, mit soviel geschichte, schon soviel
vergessen von verfolgung und morden, das es so leicht funktioniert
menschen abzuschieben, sie auszufliegen in gebiete mit krisen, in
gebieten mit kriegen...in zeiten wie diesen..." (Yok)

Am Mittwoch, dem 10. Juli 2013, ist ein Aktivist angeklagt, dem
vorgeworfen wird, Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt
bei der Veranstaltung mit Schünemann und Kruse begangen zu haben.

Wir erklären uns solidarisch mit dem angeklagten Aktivisten.
Warum soll es ein Verbrechen sein, sich gegen Rassismus in all seinen
Formen zu wehren?
Warum soll es ein Verbrechen sein, sich dagegen zu wehren, das Menschen
diskrimiert, eingesperrt,  gefoltert, abgeschoben oder gar in den Tod
getrieben werden?
Warum soll es ein Verbrechen sein, wenn sich jemand für ein
selbstbestimmtes Leben für alle Menschen einsetzt?
Warum soll es ein Verbrechen sein, sich gegen die Einschränkung bzw. 
Abschaffung von Freiheiten durch staatliche Institutionen einzusetzen?

Wir finden es ist kein Verbrechen, sondern legitim und erforderlich
gegen den Rassismus in den Institutionen, in den Gesetzen und in den
Köpfen Widerstand zu leisten.


*Kommt alle am Mittwoch, dem 10. Juli 2013, um 09 Uhr zum Amtsgericht
Göttingen. *


Seid solidarisch, seid laut, seid kreativ !



Betroffen ist einer -- gemeint sind wir alle !

Kein Mensch ist illegal !

Für ein freies und selbstbestimmtes Leben !


-------------- nächster Teil --------------
Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt...
URL: </pipermail/newsletter.akasylgoe/attachments/20130705/359dee08/attachment-0001.html>
-------------- nächster Teil --------------
Ein Dateianhang mit Binärdaten wurde abgetrennt...
Dateiname   : Solidarität mit dem Aktivisten 10.07.13.jpeg
Dateityp    : image/jpeg
Dateigröße  : 150306 bytes
Beschreibung: nicht verfügbar
URL         : </pipermail/newsletter.akasylgoe/attachments/20130705/359dee08/attachment-0001.jpeg>


Mehr Informationen über die Mailingliste Newsletter.akasylgoe